
Von wegen „verlängerte Werkbank des Westens“...Trump fürchtet sich vor der chinesischer Exportkraft. Und die deutsche Automobilindustrie wurde von chinesischer Industriepolitik in kürzester Zeit von der Pole Position gefegt. China kann nicht nur Plastikschrott fürs Kinderzimmer. Hinter Elektroauto- und Elektronik-Boom steht in China ein Aufbruch der Ingenieure und ein gefügiges Bankensystem.
Gerade verkaufen die ersten Elektroauto-Hippster ihre Teslas und wechseln zu Polestar. Das ist nicht unbedingt eine Empfehlung für die Submarke von Volvo und dem chinesischen Pkw-Hersteller Geely. Hauptsitz von Polestar ist Göteborg, produziert wird aber in China, der Vertrieb findet hauptsächlich im Internet statt und auf mittlere Sicht werden international 300 Händler als Partner angepeilt.
Geht alles gut, könnte Polestar in diesem Jahr schuldenfrei werden. Geht es um Tesla-Alternativen, wird gar nicht erst über deutsche Fabrikate nachgedacht. Polestar könnte ein Hoffnungsprojekt sein, dem weitere europäisch-chinesische Kooperationen auf dem Elektroautomobilmarkt folgen könnten.
Was die Industrieproduktion angeht, ist China inzwischen mächtiger als die USA, Japan, Deutschland, Südkorea und Großbritannien zusammen.
Chinesischer Handelsüberschuss bedeutet, dass seit gut zwei Jahren viel mehr Container mit Waren verschifft, viel mehr Autos, Solarmodule, Drohnen und all die anderen Dinge, die China in so großer Menge herstellt, nach Asien, Europa und Nordamerika verkauft werden. Schauen wir uns den Dezember 2024 an, stiegen Chinas Exporte im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent an. Das ist ein beträchtlicher Anstieg, denn der Welthandel wuchs im gleichen Zeitraum gerade einmal um drei Prozent. Wenn der größte Warenexporteur der Welt also um 17 Prozent wächst, dann heißt das, dass alle anderen Länder rasant Marktanteile an Chinas verlieren.
Zur Wahrheit gehört: Auch wir Europäer haben von den niedrigeren Preisen für viele Waren aus China profitiert, ob es sich nun um Ventilatoren, Klimaanlagen, Spielzeuge, Kleidung oder Möbel handelt. Viele dieser Waren sind billiger, weil China bei ihrer weltweiten Produktion eine dominierende Rolle spielt.
Was macht China als Exportmacht so bedrohlich?
Die Amerikaner sehen die Gefahr vor allem darin, was passieren könnte, wenn internationale Krisen wie eine Pandemie drohen. In den ersten Wochen der Corona-Pandemie waren die Vereinigten Staaten beispielsweise komplett auf N95-Masken aus China angewiesen.
Wie wurde China zur dominierenden Exportnation? Chinas Vormachtstellung als Industrienation wurde minutiös geplant. Vor ein oder zwei Jahrzehnten exportierte China Spielzeug, Kleidung, Möbel und so weiter. Darauf folgte eine konzertierte Industriepolitik, die bewusst auf höherwertige Produkte zielte, weil diese auch viel besser bezahlte Arbeitsplätze schaffen würden. Besonders in den letzten fünf Jahren hat diese Politik Fahrt aufgenommen. Jetzt sehen wir, wie China riesige Mengen an Solarmodulen und Windturbinen auf den Weltmarkt wirft. Und bis auf die schnellsten Halbleiter werden mittlerweile die meisten Mikrochips in China hergestellt.
China hat diese selbstbewusste Industriepolitik genutzt, um sich zum weltweit führenden Produzenten von Autos, Drohnen, Solarmodulen aufzuschwingen, die dem Land insgesamt einen Handelsüberschuss von einer Billion US-Dollar beschert haben.
Wie baut man ein industrielles Ökosystem mit Zukunft?
Zurück auf den Automarkt. Noch vor fünf Jahren exportierte China nur wenige Autos, und das waren sehr billige Schrottautos, die auf prekären Märkten wie Syrien Abnehmer fanden. Auf dem Weltmarkt waren sie nicht konkurrenzfähig. Inzwischen hat China innerhalb von nur fünf Jahren Japan, Südkorea und Deutschland überholt und ist mit großem Abstand der größte Autoexporteur der Welt.
China brauchte nicht einmal 20 Jahre, um zum Weltmarktführer einer neuen Technologie, der Elektromobilität, aufzusteigen.
5. Schritte war dafür notwendig:
Der Chef-Innovator kommt von – Audi
1. ernannte der chinesische Ministerpräsident 2007 den ehemaligen Audi-Ingenieur Wan Gang (Absolvent einer deutschen Hochschule in Clausthal (!) und nicht einmal Mitglied der Kommunistischen Partei) zum Wissenschafts- und Technologieminister. Der Ministerpräsident stellte Wan Gang praktisch einen Blankoscheck aus, um Investitionen zu tätigen, die China zum Vorreiter in der Elektromobilität machen.
Banken
2. Ein weiterer Schritt in die globale Vorreiterrolle verlangte, dass das nationale Bankensystem die Autokonzerne unterstützt, praktisch unabhängig davon, wie viel Geld sie dabei verbrannten. Chinas Banken schaufelten enorme Kreditvolumina in die Autoindustrie, auch wenn in den 2000ern nur ein oder zwei Hersteller wirklich Geld verdienten. Das hat sich inzwischen geändert.
Bildung
Es folgt 3. Chinas Bildungsaufbruch. Nur einer von fünf amerikanischen Absolventen kommt aus den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). In China sind es mehr als zwei von fünf, und außerdem gibt es dort viel mehr Absolventen. China verfügt also über eine große Zahl an Ingenieuren unter denen hoher Konkurrenzdruck besteht, was bedeutet, dass sie für die Unternehmen nicht zu teuer sind. Trotzdem werden sie mit der Entwicklung hochmoderner Fabriken und hochmoderner Autos beauftragt, was die Jobs begehrt macht.
Innovation braucht neue Infrastrukturen
4. Das nächste Puzzleteil, das China sehr erfolgreich entwickelte, ist das regulatorische Umfeld. China installierte ein straffes Genehmigungsverfahren. In China ist es sehr einfach, Industrieparks einzurichten. Es werden in kürzester Zeit Straßen, Elektrizität und Wasserleitungen angelegt. Selbst die Wasseraufbereitung kommt aus einem zentralen Großkomplex für das gesamte Wasser, das alle Produktionshallen versorgt. Die Fabriken werden in einem Jahr gebaut statt in vier oder mehr Jahren wie im Westen.
Lebenswertes Arbeitsumfeld
Schließlich 5., der Wohnungsbau. In China ist der Bau von Einfamilienhäusern weitgehend verboten. Wenn neue Fabriken errichtet werden, werden häufig 30-stöckige Wohnhäuser, schön angelegt mit ausgedehnten Parks drumherum gebaut. Die Bebauungsvorschriften erlauben so viel Wohnungsbau, dass die Familien umgerechnet nur ein paar hundert Euro im Monat für die Miete einer Wohnung zahlen müssen. Und das bedeutet, dass ihr Lebensstandard sogar dann noch recht gut ist, wenn sie umgerechnet nur 20.000 Euro pro Jahr oder weniger verdienen.
Fazit
• Kooperationen mit den neuen Weltmarktführern der Elektromobilität könnten hierzulande aufgrund von vorhandener Expertise nicht nur im Elektromotorenbau ein erwägenswertes Geschäftsmodell werden. In den USA hat Ford Projekte mit ähnlicher Logik und Größe wie in Chinas Elektroautomobilindustrie gestartet, deren Fertigstellung sich aufgrund der schleppenden Elektroauto-Konjunktur jedoch um zwei Jahre verzögern wird.
• Mit der „magischen Macht der Märkte“ hat Elektroautomobilität der Zukunft nichts zu tun, vielmehr mit Industriepolitik. Die Transformationsangst vieler deutscher Hersteller hat analoge industriepolitische Zukunftsprojekte in Deutschland im Keim erstickt. Vielleicht noch fataler: Die populistische, auf Stimmengewinne zielende Fortschrittsfeindlichkeit der Konservativen und Rechten hat den Elektroautoumsatz um Jahre zurückgeworfen. Die deutschen Autobauer werden die eigene Unentschlossenheit und den Populismus der Rechten teuer bezahlen.