Der US-Publizist Derek Thompson erlebt die Zerschlagung der USA momentan direkt vor Ort in den USA. In seinem Podcast „Plain English“ beschäftigt er sich mit dem Staatsabbau durch die Trump-Administration.
Was passiert gerade in den USA?
Mit der Häufung der internationalen Flugzeugunfälle hat Musks Rolle als „Eiserne Faust der Entbürokratisierung“ nichts zu tun. Doch im Nachgang zum tragischen Flugzeugunglück in Washington am 29. Januar marschierte Musk am 17. Februar nicht etwa mit einer DOGE-Delegation, sondern mit einem Team von SpaceX in das Flughafenterminal von Virginia, dem Nervenzentrum der US-Luftfahrt, ein, um bei der „Überholung der Systeme“ zu helfen, wie Verkehrsminister Duffy später erklärte.
Man kann das als Zerstörung und Diebstahl von öffentlichen Gütern bezeichnen. So funktioniert Anarchokapitalismus, die Drehbücher sind bekannt. Und der ehemalige deutsche Finanzminister Christian Lindner – zweifelhaft auf der Suche nach rechtsradikalen Restwählern – empfiehlt, ein bisschen mehr Musk zu wagen. Mehrere Richter haben bestätigt, dass das Vorgehen von Trump und Musk gesetzeswidrig ist und einem Verbrechen gleichkommt. Beide missbrauchen die Exekutivgewalt und zerstören Institutionen, die vom Kongress legitimiert wurden. Ein Coup d’etat.
Musk und Brevik
Wir erleben die kriminelle Ausraubung der Vereinigten Staaten. Schon jetzt zeichnen sich massive Interessenkonflikte (welch unschuldiges Wort) ab, gerade wenn es um die Figur Musk geht. Drängelt sich da jemand in den nächsten Regierungsauftrag hinein, wenn er in das Flughafenterminal von Virginia eindringt? Natürlich! Musk ist insbesondere über SpaceX einer der größten Auftragnehmer der US-Regierung – die Entlassungen von Hunderten von Mitarbeiter:innen in Probezeit bei der Federal Aviation Administration (FAA), die mit der Wartung kritischer Flugsicherungsinfrastrukturen betraut waren, gehen auf Musks Initiative zurück. Musk, davon ist auszugehen, wird versuchen, das gesamte US-amerikanische Luftfahrt-Business unter seine Kontrolle zu bekommen.
Amokläufe von DOGE gefährden die Sicherheit der USA
Kriminelles Handel auch in anderen Ministerien und Institutionen. Im “Department of Energy” hat Musks Abrissbirne DOGE (Department of Government Efficiency)
gerade mehr als 1.000 Mitarbeiter entlassen. Darunter befinden sich 300 Mitarbeiter:innen der National Nuclear Security Administration. Ist gesichert, wer sich zurzeit um die Sicherheit der Kernkraftwerke kümmert? Niemand weiß es wirklich, denn Musks Schergen schmeißen Mitarbeiter:innen willkürlich raus, ohne zu wissen, wofür sie verantwortlich sind und wer ihre Aufgaben übernehmen wird („DOGE people are coming in with absolutely no knowledge of what these departments are responsible for”).
Vor wenigen Tagen wurden rund hundert Mitarbeiter:innen bei Pantext, dem USA-weit wichtigsten Kernwaffenkomplex in Amarillo, Texas, auf die Straße gesetzt. Die dort tätigen Mitarbeiter sind mit der Wiedermontage von Sprengköpfen beschäftigt, einer der sensibelsten Tätigkeiten im gesamten Atomwaffensektor, für die die höchsten Sicherheitsstufen gelten. Als man feststellte, dass das vielleicht etwas voreilig war, wurden viele Mitarbeiter:innen wieder zurückgeholt. „Die Leute von DOGE haben absolut keine Ahnung, wofür diese Ministerien zuständig sind“, sagte Daryl Kimball, Exekutivdirektor der Arms Control Association. „Sie scheinen nicht zu begreifen, dass es eigentlich eher das Ministerium für Atomwaffen als das Energieministerium ist“.
* Dieser zur Schau gestellte Dilettantismus, der als libertäre Disruption und Entbürokratisierung daherkommt, erinnert in seiner Grausamkeit an die Amokläufe von Brevik und anderen. Der Capitol-Sturm war kein Versehen, sondern der Anfang, das wissen wir jetzt - der Anfang der Zerstörung der amerikanischen Demokratie.
* Vorbilder dieser Disruption, wir kennen sie alle: Googles, Amazons und Facebooks Datenmonopole, allesamt entstanden durch Rechtsverletzungen, und Peter Thiels langweilige Monopol-Fibel „Zero to One“.
* Musks Hauptmotiv für den Amoklauf gegen die Ministerien ist aktenkundig: mindestens elf von ihnen haben offene Verfahren gegen ihn laufen.
Die Strategie, die Musk verfolgt, wenn man wirklich von Strategie sprechen möchte, besteht darin, willkürlich Personal rauszuwerfen. Reagiert die Öffentlichkeit skeptisch (was er über X zu steuern versucht), werden vorübergehend Anpassungen vorgenommen. Die bekannte Sprachregelung der Bürokratiebeseitiger lautet: Ins „Fleisch schneiden, aber nicht bis auf den Knochen“. Was die Trump-Musk-Bromance gerade in den USA veranstaltet, gefährdet jedoch jetzt schon die Sicherheit des Landes.
Die Zerstörung wertvollen Wissens beginnt
Bei den „Veterans Affairs“ (380.000 Angestellte), einem Ministerium, das zuständig ist für Leistungen an Veteranen und deren Familien und Hinterbliebene, geht DOGE genauso vor. Hier hat die Trump-Regierung jüngst zehntausenden Mitarbeiter:innen Abfindungen angeboten. Kurze Zeit später wurde das zurückgenommen. Die Begründung: Sorry, wir haben uns getäuscht, geht ja gar nicht.
Die Zerstörung der Bildungs-Infrastrukturen ist einem glühenden Faktenleugner wie Trump besonders wichtig. Am „Department of Education“ wurden Arbeitsverträge in Höhe von einer Milliarde US-Dollar mit sofortiger Wirkung gesperrt. In der international renommierten Zulassungsbehörde „Food and Drug Administration“ (FDA, 13.500 Mitarbeiter:innen) hat Trump bereits hunderte von Mitarbeiter:innen entlassen. Die Mehrzahl der Entlassenen arbeiteten fokussiert in der Medikamente- und Lebensmittelprüfung, ein riesiger Braindrain droht. Am „Centers of Disease Control“ (CDC, 21.000 Mitarbeiter:innen) wurden massive Entlassungen speziell im „Epidemic Intelligence Service” angekündigt. Trump rächt sich für das Missmanagement und sein persönliches Versagen während der Pandemie. Es ist ein schwerer Schlag für die weltweite Pandemie-Prophylaxe; die Organisation entsendet weltweit Seuchen-Beobachter, die Epidemien untersuchen und den Ausbruch von Seuchen bekämpfen.
Ohne USAID werden viele Menschen sterben
Elon Musk scheint es ein persönliches Anliegen zu sein, das „United States Agency for International Development“ (USAID) zu zerstören, welche sadistischen Phantasien dem auch immer zugrunde liegen mögen. Hier werden mehr oder weniger alle Mitarbeiter:innen entlassen, alle Standorte werden geschlossen und eine Minimalbesetzung wird vorübergehend dem State Department unterstellt. Durch die Zerstörung von USAID werden unzählige Menschen in armen Ländern leiden und sterben, während die US-Bürger:innen dadurch fünf US-Dollar weniger Steuern bezahlen müssen. Nach ersten Berichten soll die Behörde von 10.000 Mitarbeiter:innen auf 600 Mitarbeiter:innen zusammengestutzt werden. Musk bereitet das diebisches Vergnügen. Auf X schrieb er: Wir nutzen das Wochenende, um USAID zu schreddern (“We spent the weekend feeding USAID into the woodchipper”).
Der Anlass für diese Grausamkeit, so hat es der Ökonom William Easterly im „New Yorker“ beschrieben, sei der feste Glaube an libertäre und reaktionäre Stereotype, wonach USAID vor allem die Macht von Diktatoren gestützt habe und ihre Entwicklungshilfe niemals bei den Bedürftigen angekommen sei. Easterly: “Horrific. It's illegal and undemocratic.”
Edwin Lyman, Direktor für Atomsicherheit bei der Union of Concerned Scientists, sagte, die Entlassungen könnten die alltägliche Arbeit der Behörde stören und im In- und Ausland ein Gefühl der Instabilität hinsichtlich des US-Atomprogramms erzeugen. „Ich denke, das Signal an die Gegner der USA ist ziemlich klar: Wirft Sand in den gesamten nationalen Sicherheitsapparat und sorgt für Chaos“, sagte er. „Das kann den Gegnern dieses Landes nur nützen.“