In den 1990ern hätte der Akku für einen Tesla 1 Million US-Dollar gekostet, haben britische Forscher ausgerechnet. Gigantische Batteriefabriken, eine boomende Solarindustrie und Elektroautos galten vor 20 Jahren noch als Science-Fiction – schlicht unvorstellbar. Warum zögern so viele Akteure in Wirtschaft und Politik, den Weg in eine bessere Zukunft konsequent weiterzugehen?
Wir können die erste Generation sein, die die Erde zu einem besseren Ort macht, so formuliert es die Klimaforscherin Hannah Ritchie. Doch momentan spielen wir auf Zeit, weil vielen das Veränderungstempo unheimlich erscheint. Das hat speziell in der deutschen Automobilindustrie zu einem einzigartigen Managementversagen geführt.
Dabei sind wir längst ein gutes Stück vorangekommen auf dem Weg in eine dekarbonisierte Weltwirtschaftsordnung. Wie vor allem im Vereinigten Königreich gehen auch in den meisten anderen reichen Ländern die Emissionen rasch zurück. In den USA und Deutschland sind die Pro-Kopf-Emissionen seit den 1970er-Jahren um ein Drittel gesunken. In Frankreich sind sie um mehr als die Hälfte zurückgegangen und in Schweden um fast zwei Drittel.
Doch wie so oft ist die Stimmung schlechter als die Lage. Es stimmt, dass wir bei Vernetzungs- und Medientechnologien ins Hintertreffen geraten sind. Bei Schlüsseltechnologien der Zukunft wie Elektromobilität, Batterien, Kreislaufwirtschaft gehören wir jedoch nach wie vor zu den internationalen Spitzenreitern.
Ohne Solar befänden wir uns auf dem energiepolitischen Stand von 1920
Wenn wir den Mut haben, den Weg einer nachhaltigen und damit zukunftssichernden Entwicklung weiterzugehen, brauchen wir dafür: Vertrauen in unsere Innovationskraft, Vertrauen in Technologien. Hätte es nicht die epochale Erfindung der Solarenergie gegeben, stünden wir heute noch energiepolitisch auf dem Stand der 1920er Jahre und wäre dem Klimawandel hilflos ausgeliefert.
Ein wichtiger Innovationszweig für die kommenden Jahre: Viele neue Geschäftsideen, die nicht nur zur Bekämpfung des Klimawandels, sondern ebenso zur Anpassung an den Klimawandel dienen: Die Bank of America sieht hier ein Investitionsvolumen von zwei Billionen US-Dollar jährlich!
Wie die (nachhaltigen) Zukunftsmärkte aussehen, ist kein Geheimnis: Elektrifizierung der Wertschöpfung, Landwirtschaft, die immer weniger Fläche und Chemikalien für größeren Output benötigt, alternative Eiweiße, Wohn- und Wärmewende, autonomes Fahren (Ende des Privatbesitzes an Mobilität?) und vieles mehr.
Technologie muss mit Blick auf sozio-ökonomischen Trendprozesse implementiert werden
Aber nur wenn wir Technologien im Kontext von sozio-ökonomischen Trendentwicklungen verstehen, werden sie die Welt verändern. Schweden hat dafür mit der Wärmewende in den 1990er und 2000er Jahren ein großartiges Beispiel geliefert. Das Land stand vor der Aufgabe, seine Systeme zur Wärmeerzeugung weg vom Heizöl umzubauen. Klugerweise ließen sich die Verantwortlichen nicht von Billig-Erdgas aus Russland locken, sondern begannen mit dem Aufbau eines autarken Netzes aus regenerativer Fernwärme und Wärmepumpen. So profitierten sie von der bereits 1991 in Schweden eingeführten CO2-Steuer. Zusätzlich wurde eine postfossile Innovationslandschaft (heute würden wir sagen: ein Ökosystem) errichtet: Schweden investierte bewusst in technologische Pilotprojekte wie die Nutzung von Ab- und Umweltwärme, woraus sich Aufträge für mittlere und Kleinunternehmen ergaben, was wiederum das Vertrauen in das Gelingen der Wärmewende stärkte. Anschließend wurden Großwärmepumpen und Solarthermieanlagen entwickelt sowie erste Schritte in der Nutzung von Biomasse (Stroh, Restholz) getan.
Zurück zur aktuellen Lage. Wie können wir nachhaltiger leben und wirtschaften? 4 Punkte erscheinen uns besonders wichtig:
Erstens, der logische Ausweg aus dem nicht-nachhaltigen Zustand (Explosion der CO2-Emissionen) der Jahre 1995, 2015 oder 2025 war und ist die Erfindung von sauberen Energieträgern (auch wenn das damals und heute von konservativen Politiker:innen heftig bekämpft wird). Wir brauchen also mehr Innovationskraft (die vergangenen 20 Jahre wurden – Ausnahme Solar - vor allem von den Erfolgen der IT-Industrie getragen). Eine Postwachstumsökonomie ist kein realistisches Szenario. Die Energiewende und ein internationaler CO2-Preis sind die Schlüsselkonzepte auf dem Weg in die postfossile Gesellschaft sind.
Zweitens, doch auch Suffizienzmaßnahmen (das kluge Einsparen von Energie, weniger Individualverkehr, weniger Fleischverzehr), das haben Forscher errechnet, können einen erheblichen Beitrag leisten. Eine Modellsimulation für Europa zeigt, dass bis 2050 eine Verringerung des Endenergieverbrauchs um 55 Prozent gegenüber 2019 möglich ist. Dabei könnte etwa die Hälfte (!) dieser Minderung durch die Energiewende und die andere durch Suffizienzmaßnahmen erzielt werden.
Drittens, bei alledem sollten wir uns davor hüten, nach dem Russland-Erdgasdesaster gleich in die nächste Pfadabhängigkeit zu stolpern (kürzlich sagte ein älterer „Industriekapitän zu mir: „Wasserstoff, und dann können wir alles so lassen, wie es ist“). China investiert Milliarden in die Erforschung von Bambus (Windkraft, Fahrzeugbau, Verbundstoffe) als Material der Zukunft. Beim drängenden Thema des Wohnungsbaus sollten wir mehr in die Erforschung von Textilbeton, Biokohle (Pyrolyse) und Holz investieren. Apropos Biokohle: Brasilien betreibt Teile seiner Stahlproduktion mit der CO2-neutralen Biokohle.
Und schließlich, viertens: Wollen wir uns gegen Deindustrialisierung immun machen, sollten wir in Deutschland mit einer Regionalplanung beginnen, die einen vorwärtsgerichteten, antizipativen Fokus enthält, sodass Regionen und Unternehmen schneller als bislang auf den Strukturwandel reagieren können. Das heißt: In den kommenden Jahren geht es für Unternehmen und Politik darum, die vom ITZ analysierten Megatrends Digitalisierung, Klimawandel und Energiewende in transformative Konzepte umzusetzen. Regionen, die heute noch von dem Verbrennungsmotor profitieren, müssen in den kommenden Jahren beim Übergang in die digital geprägte, dekarbonisierte Wirtschaft unterstützt werden.
Die Welt ist sehr viel besser. Die Welt ist immer noch schrecklich. Die Welt könnte sehr viel besser sein. All diese Aussagen treffen zu.
Höchste Zeit, die erste Generation zu werden.