· 

Klima-Showdown in Dubai, 5 Takeaways

Was wie eine OPEC-Konferenz aussah, könnte am Ende den Grundstein für das „Phasing out“ des fossilen Zeitalters gelegt haben. Doch trotz mitunter überschwänglicher Reaktionen vieler Akteure der COP 28 ist Vorsicht angeraten. Denn der Beschluss ist ein Pakt mit dem (fossilen) Teufel. Nächster Schritt: die Milliarden müssen ab jetzt in die richtige Richtung fließen.

 

Gestern ging eine Konferenz der OPEC-Staaten in Dubai, der größten Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate, zu Ende. Nach wie vor ist die Produktion von fossiler Energie ein unwiderstehliches Geschäftsmodell, das Autokraten wie Vladimir Putin an der Macht hält. Gerade im vergangenen Jahr gaben die Erdöltrusts, die von Norwegen über Moskau nach Saudi-Arabien bis nach Texas reichen, neue Gewinnrekorde bekannt. Zufrieden können sich die Diktatoren abklatschen. Das „schwarze Gold“ in flüssigem Zustand – das wissen wir doch alle – ist der Treibstoff unseres Konsummodells seit den 1940er Jahren. Es hat schon die Lebensentwürfe unserer Großeltern geprägt und uns alle im Wohlstand aufwachsen lassen. Von dieser Droge, so sieht es aus, kommen wir einfach nicht runter. Oder doch?

 

Dass es sich in den vergangenen zwei Wochen in Dubai tatsächlich nicht um eine OPEC-Veranstaltung handelte, sondern um die 28. Weltklimakonferenz, war auf dem ersten Blick kaum zu erkennen. Schaut man sich die Zukunftspläne von BP etc. an, ist ebenfalls unverkennbar, dass die Welt das 1,5 Grad-Ziel (das beim Pariser Abkommen 2015 allerdings nicht im Vordergrund stand) wie auch die 2-Grad-Grenze deutlich reißen wird. 

 

Klimakonferenzen waren nie rechtsverbindliche Veranstaltungen. Dadurch ist es in einigen hellen Momenten jedoch gelungen, weltumspannende Initiativen in Gang zu bringen und Feinde zu Freunden zu machen. Die Konferenz-Diplomatie in Dubai brachte es zustande, dass am Ende doch noch ein akzeptables Dokument verabschiedet wurde. Die Mehrzahl der Teilnehmer:innen und Beobachter:innen klammern sich an die folgende Formel: Ja, es war noch kein Durchbruch, der sofort einen Transformationsmechanismus raus aus der fossilen Ära in Gang setzt. Das „Phasing out“, der sofortige Pfadwechsel, hat nicht stattgefunden, doch die Richtung ist jetzt festgeschrieben. 

 

Dilemma-Management mit den fossilen Fürsten der Finsternis

 

Seit Jahren lassen sich die Absurditäten, Widersprüche und dialektischen Verrenkungen auf dem Weg zu einer Klima-Roadmap kaum noch zählen. Doch es geht um die Zukunft und die schwindenden Aussichten für akzeptable Lebensbedingungen für alle. Dafür wurden in Dubai auch schwache Signale in die richtige Richtung registriert und sorgfältig auf die diplomatische Goldwaage gelegt. Die Öl- und Erdgaskonzerne, viele von autoritären Regierungen getragen, sprechen eigentlich eine andere Sprache. Doch ohne die fossilen Fürsten der Finsternis (seit Jahrzehnten durch Desinformations- und Korruptionsnetzwerke gestützt) geht es nicht. Zusätzlich signalisieren Großinvestoren wie die mächtigen Pensionsfonds in Zeiten der Inflation ja zusätzlich, dass ihnen klimapolitische Empfindlichkeiten ziemlich egal sind. Zu respektieren ist außerdem eine Dialektik der Energiewende: Es war naiv zu glauben, dass durch den Aufbruch bei den Erneuerbaren (globale Installation, Preisparität) der Preis für die Fossilen in den Keller gehen würde – ziemlich genau das Gegenteil ist seit Jahren auf den Energiemärkten zu beobachten. 

 

Selbst ein renommierter Klimaexperte wie Ottmar Edenhofer muss da in die Rolle des subtilen Dialektikers schlüpfen, um die COP 28 zum Erfolg zu erklären. Er hält es für geglückt, dass die COP 28 quasi im Gewande einer OPEC-Konferenz daherkam, da nur so das Einlenken der Erdöl- und Gasmultis denkbar geworden sei. Dass nach dem „Phase out“ für Kohle in Glasgow 2021 nun erstmals auch Gas und Erdöl auf der Agenda „genannt“ wurden, sei entscheidend.

 

Wer angesichts allgegenwärtiger ökologischer Desaster noch die Nerven hat, der/die kann hinter dem klimadiplomatischen Schlussspurt von Dubai eine brillante Strategie vermuten. Der/die kann den völlig unbrauchbaren ersten Abschlussentwurf als trojanisches Pferd interpretieren, womit Saudi-Arabien (das ihm als einzige Nation zustimmte) nicht fallengelassen wurde, um anschließend gemeinsam – und nach einem Moment des globalverantwortlichen Innehaltens – den Weg für eine annehmbare Zukunft freizumachen. 

 

Aber wie geht es weiter? 

 

1. Es braucht zwei verbindliche politische Mechanismen: 1. Es muss ein verbindlicher politischer Mechanismus gefunden werden, der den globalen CO2-Ausstoß nach den vorhandenen Richtwerten begrenzt. Darüber hinaus brauchen wir 2. einen politischen Mechanismus dafür, dass Kohle, Öl und Gas künftig im Boden bleiben. Edenhofer „Je nach Ziel für die Erderwärmung um bis zu 1,5 Grad Celsius oder zwei Grad (dürfen wir) nur zwischen 250 und 940 Gigatonnen Kohlendioxid in der Atmosphäre ablagern. Wir haben aber weltweit 10.600 Gigatonnen im Boden. Das heißt: Die betreffenden Länder und die Industrien dürfen einen Großteil der Kohle-, Öl- und Gasvorkommen nicht nutzen.“ Ich betone hier deshalb den politischen Anteil, um hervorzuheben, dass die Initiative für die Festlegung von Grenzwerten, CO2-Bepreisung o.ä. nicht über die Eigenverantwortung der Unternehmen geregelt werden kann.

 

2. Alternativen werden greifbarer: Ermutigend ist, dass eine weltweite Verdreifachung des Zubaus von Erneuerbaren beschlossen wurde. Das ist deshalb erfreulich, weil damit der fossile Pfad unattraktiver wird. Und: Die Erneuerbaren (sowie die grüne Wasserstoff-Ökonomie) bieten mittlerweile auch für die Golfstaaten und Emerging Markets (Afrika!) stabile Szenarien für nachhaltiges Wachstum.

 

3. Die Highambition-Fraktion bleibt stabil: Deutschland hat in Dubai eine wichtige Rolle gespielt. Es hört sich possierlich an, aber auch die Bemühungen um einen „Klimaclub“ der ehrgeizigen und wohlhabenden Staaten, von Deutschland forciert, wird dazu beitragen, dass Ziele schneller erreicht und neue Technologien schneller marktreif werden. 

 

4. Schurken müssen umschulen: Devestment, die Abkehr von fossilen Investments, wie es lange heraufbeschworen wurde, hat nicht funktioniert. Da zieht sich der Weltgemeinschaft der Magen zusammen, aber es wird jetzt wichtiger sein, der fossilen Industrie Ausstiegsszenarien und Umschulungsanreize zu liefern (die seit Jahrzehnten mit leicht geminderter Renditeerwartung hätten ergriffen werden können). Die schwer lerngestörten Energie-Trusts müssen schnellstmöglich auf die Zukunftsfelder des grünen Wasserstoffs, des technologisch nach wie vor nicht marktreifen Carbon Capturings (CCS) und der großangelegten Aufforstung unter anderem in Afrika gelockt werden. 

 

5. Die Marktmacht von USA und EU: Das transatlantische Klimabündnis („Green Deal“ und „Inflation Reduction Act“) bleibt der entscheidende Hebel, der den Klimafahrplan am Leben erhält. Insbesondere CO2-Steuern und CO2-Zertifikate beginnen, sich als Leitwährungen zu etablieren. Klimazölle der EU haben dazu geführt, dass Staaten wie Indien und die Türkei über die Emissionsbepreisung nachdenken.  

 

Fazit: Es bleibt ein Pakt mit dem Teufel. Am Ende verkündete Al-Dschaber, Leiter der Konferenz und selbst Chef des staatlichen Ölkonzerns der Emirate, Adnoc, dass „ein neuer Pfad gefunden worden sei“. Auch die Mehrheit der Expert:innen spricht von „Durchbruch“ oder „Paradigmenwechsel“, Germanwatch nennt die Einigung gar „historisch“. Doch es ist nicht zu leugnen, dass wir leben in einer „Carbon Democracy“ leben. Öl und Gas sind seit Mitte des 20. Jahrhunderts der Treibstoff für den Massenwohlstand in einer freiheitlichen Gesellschaft. Teuflisch ist das Ausmaß der Pfadabhängigkeit, wie wir es in der Debatte um das Heizungsgesetz erlebt haben. Ein Heizungswechsel wird als existenzielle Bedrohung empfunden. Kampagnen der fossilen Industrien werden sich auf diese empfundenen Transformationslasten stützen können. Und das „Dirty Dozen“ der fossilen Industrie steckt gerade einmal 7,3 Prozent seiner Investitionen in Erneuerbare. Eine Übergewinnsteuer, wie sie von der EU eingeführt wurde, reicht da als Maßnahme bei weitem nicht aus. Zugleich sind wir von einer international einheitlichen CO2-Bepreisung momentan weit entfernt.