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Das Brot des Bäckers: Qualitätsgewinne statt Branchensterben

Mit 9.607 Meisterbetrieben, einem Gesamtumsatz von 16,27 Milliarden Euro und 238.200 Mitarbeitern ist das Bäckerhandwerk nach wie vor ein relevanter Wirtschaftszweig. Vor über 60 Jahren lag die Zahl noch bei rund 55.000 Handwerksbäckern, allein im alten Bundesgebiet. Der Wandel erscheint dramatisch - sorgt aber gerade schon für einen Qualitätsschub.

 

Rund 70 regionale Bäcker beliefern inzwischen Aldi Süd, bei Aldi Nord sind es mehr als 30 und auch Lidl wirbt mit regionalem Backwerk. Zwischen Mai 2022 und Mai 2023 verloren die klassischen Bäcker (inklusive der Filialen im Lebensmitteleinzelhandel) weitere sieben Prozent ihres Marktanteils. Auch für die Einzelhandelsriesen Edeka und Rewe liefern örtliche Bäcker Brot, Brötchen und Teilchen direkt in den Laden. Fachleute warnen trotz der Chancen durch diese Kooperationen dennoch vor zu viel Euphorie. So könnten Händler die Ansprüche ihrer Kunden an qualitativ hochwertiges Brot erfüllen, während Handwerksbäcker sich neue Kundenkreise erschließen könnten.

 

Ein Trendüberblick zeigt, dass es in den Backstuben jede Menge Innovationsgeist gibt.

 

1. Elektronisch: Kollege Roboter in der Backstube...Mit dem Automatisierungssystem Bakisto hält zurzeit nicht nur Künstliche Intelligenz (KI), sondern auch kollaborative Robotik (sogenannte Cobots) Einzug in Deutschlands Backstuben. Der backende Cobot soll künftig mit Bäcker:innen und Verkäufer:innen kooperieren, indem er zum Beispiel Backbleche in den Ofen schiebt und wieder herauszieht. Wenn vormittags die Croissants ausgehen, lässt die KI die Backofen vorheizen. Ist die Betriebstemperatur erreicht, holt der Cobot das Blech aus der Kühlung, fährt es zum automatischen Be- und Entladesystem für den Ofen und zieht es nach Ende der Backzeit wieder heraus. Dann wartet der Roboter die Abkühlphase ab und schüttet die Brezen direkt ins SB-Regal. Wie die „Lebensmittelzeitung“ (7. Juli 2023) berichtet, stehen bislang nur Prototypen bereit, die im Frühjahr von dem Unternehmen Wiesheu auf der Fachmesse Euroshop vorgestellt wurde. Im kommenden Jahr soll der vollautomatische Backshop in einem Markt in Betrieb gehen. Die Smart Bakery Box von Shop-IQ verfolgt einen ähnlichen Automatisierungsansatz, mit dem auf Personalknappheit und Energiepreise reagiert werden soll. 

 

2. Einfach: Weniger Chemie, weniger Rohstoffverbrauch... Modernisierung unter schwierigen Marktbedingungen kann aber auch bedeuten, einfach umwerfend gutes Brot zu backen. Das tut die oberpfälzische Bäckerei Glaab. Ihr Chef, Christian Glaab, ist Gründungsmitglied und Vorstand des Vereins „Natur-Pur Bäcker e.V.“. Für die anspruchsvolle Zertifizierung musste die Bäckerei komplett die Produktion umstellen. Wichtig ist zunächst, was nicht in den Teig darf: keine chemisch modifizierten Mehle, keine Backmischungen oder Backmittel mit einer Zugabe von mehr als sechs Prozent, keine Aromen, die nicht zu 100 Prozent aus dem namensgebenden Rohstoff stammen, keine chemisch-synthetischen Emulgatoren, keine Farb- und Konservierungsstoffe. Durch den chemischen Entzug kann am Rohstoffeinsatz deutlich gespart werden. Das Kleinunternehmen hat sich darüber hinaus aus dem wenig rentablen Liefergeschäft an den Lebensmitteleinzelhandel zurückgezogen und möchte auch keine weiteren Filialen eröffnen, daran hat sich in den vergangenen Jahren die Konkurrenz verhoben. Digitalisierungsfeindlich ist der Bäckermeister Glaab jedoch keinesfalls. Es gibt eine Einkaufs-App und kürzlich wurde der Online-Shop Brotbox gestartet. Wer bei Google ‚Brot online bestellen‘ eingibt, landet an zweiter Stelle bei Glaab.

 

3. Edel: Transparentes Backen für die gehobene Mittelschicht... Produktion vor Ort, entfallende Transportwege, ausschließlich Bioland-zertifizierte Zutaten und kaum klassische Werbung hat den Erfolg des Berliner Projekts Zeit für Brot begründet. Mittlerweile 13 Filialen in Berlin, Hamburg, Stuttgart, Heidelberg, Potsdam und Frankfurt am Main verschafften dem Unternehmen einen guten Start. Jährlich sollen fünf neue Filialen in Innenstadtlagen dazukommen. Ohne Geschäftskunden funktioniert die Edelbäcker-Idee jedoch auch nicht: vertreibt seine Backwaren auch über Bio-Einzelhandelsketten wie Alnatura, Denn’s und Bio Company. Außerdem beliefert „Zeit für Brot“ die Lieferdienste Flink, Amazon Fresh sowie Knuspr. Die Vertriebspartnerschaften machen rund ein Drittel des Umsatzes aus. Die duftenden Zimtschnecken und die gläsernen Backstuben kommen in den bevorzugten Innenstadtlagen beim Gutverdiener-Publikum an; das Mischbrot (1 kg) kostet 7,60. Wie sich das Nachhaltigkeitskonzept durchhalten lässt, wird aktuell auch bei der Eröffnung der ersten Filiale in Tel Aviv.

 

Fazit

Von einem Bäckersterben redet selbst der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks nicht. Der Strukturwandel in der Branche, der sich durch steigende Energiepreise, Inflation und Fachkräftemangel noch erheblich zuspitzte, macht trotzdem Hoffnung, dass die Qualität angehoben werden kann. Brot ist nicht mehr nur ein Grundnahrungsmittel, sondern erlebt gerade eine lifestylige Aufwertung wie vor Jahren der Kaffee (Wann backt Starbucks Brot?). Seit den 1990er Jahren hat sich eine graue Mitte des Backhandwerks herausgebildet, die betrieblich zu Konsolidierungseffekten führte und die Qualität der Endprodukte ebenfalls in der grauen Mitte einfror. In den kommenden Jahren wird sich die Chance ergeben, das wunderbare Handwerk in einer veränderten Bedürfnislandschaft neu zu positionieren.