Die körperkulturellen Phänomene des "Quantified Self" und der Selbstoptimierung prägen schon knapp ein Jahrzehnt unser Leben. Wie viele Trends auf sozialer Ebene haben sie nicht von Heute auf Morgen unsere Gewohnheiten auf den Kopf gestellt oder neue Lebensentwürfe provoziert. Sie haben sich eingeschlichen, dabei jedoch Märkte transformiert und Verhaltensweisen modifiziert. Gesundheit wird seitdem es möglich ist, mit mobilen Gadgets unsere Körperfunktionen zu überwachen, von vielen Menschen anders wahrgenommen. Möglich ist das ungefähr seit 2010, seit das Internet seinen Siegeszug auf mobilen Endgeräten angetreten hat.
Die vielleicht wichtigste Veränderung, die durch "mobile first" seit knapp zehn Jahren in unser Leben eingekehrt ist, besteht darin, dass mobile Endgeräte Daten erzeugen und diese Daten den Plattformen im Netz zugänglich sind. Dadurch ist so etwas wie die Personalisierung von Services im Netz erst möglich geworden. Das erst hat uns zu den sportlichen Mensch-Maschine-Schnittstellen werden lassen, über die sich die Internetindustrie seitdem so freut. Personalisierung unter den Bedingungen vernetzter mobiler Endgeräte ist natürlich auch -und vor allem: kapitalistische Datenwirtschaft. Schon jetzt ist die Datenwirtschaft der größten Markt der Welt, stellt man nur die Umsätze von Datenunternehmen wie Google, Amazon, Facebook und Apple in Rechnung.
Seitdem wird unseren Körper an das Datennetz angeschlossen haben, stellt sich auch die Frage gestellt, wie wir Ernährung personalisieren können. Können wir durch in immer größerer Menge anfallende "Vitaldaten" von uns selbst nicht auch Ernährung, Essensgenuss und Bewegung so für jeden einzelnen optimieren, dass wir am Ende gar nicht mehr krank werden. Ein gigantischer neuer Markt tut sich da auf: personalisierte Rezepturen etc, die es künftig - proaktiv - verhindern, dass wir vor allem an chronischen Krankheiten sterben. Ein Befreiungsschlag für die geplagten Gesundheitssysteme weltweit!
Zweifellos, spannende Perspektive. Aber auch Vorbehalte, die dabei nicht verheimlicht werden sollten: Kann uns in dieser digitalen Gesundheitswelt der Arbeitgeber nicht dazu zwingen, künftig "nicht mehr krank zu werden", indem wir immer das für uns Gesunde zu uns nehmen? Und wie manifestiert sich diese digital induzierte Selbstoptimierung in der sozialen Welt? Was wird aus unserer Esskultur, die in allen Regionen der Welt eine hochgradig soziale Angelegenheit ist? Werden wir selbstbezogener durch personalisierte Ernährung oder macht uns das selbstbewusster und - irgendwie - unsterblich?