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Medien-Print-Demokratieerhalt: Zukunft und Gegenwart der Information

In den vergangenen zehn Jahren hat der Siegeszug der SocialMedia die Tageszeitungen in eine tiefe Krise gestürzt. Facebooks Targeting-Modelle haben nicht nur dazu beigetragen, dass Donald Trump US-Präsident wurde und Großbritanniens Demokratie im Brexit-Chaos untergeht. Sie haben auch die Tageszeitungen finanziell geschwächt. Der ehemalige Guardian-Chef Rusbridger hat vorgerechnet, dass Facebooks Targeting-Modell nicht nur Demokratien ins Wanken bringt, sondern für ein seriöses Blatt wie den Guardian jährliche Verluste von 20 Millionen Euro zur Folge hat.  

 

Aber auch hier gilt: Früher war nicht alles besser, wie aktuelle Studien aus den USA zeigen. Es ist eben nicht so, dass vor den SocialMedia und seit der Gründung der ersten Zeitungen im 16. Jahrhundert alles wie geschmiert lief. Vielmehr stellten die Jahre zwischen 1940 und 1980 in der westlichen Welt ein goldenes Ausnahmezeitalter der Printmedien dar – eine singuläre Sonderkonjunktur unter besonderen Bedingungen

 

Sechs Entwicklungsschritte führen von der Vergangenheit in die Zukunft:

1. Zeitungen und Printmedien als Teil des massenhaften Wohlstandskonsums

 

In diese Phase fällt das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit mit seinen Massenmärkten, mit Massenmarketing und Massenkonsum. Das goldene Zeitalter der Zeitungen wird nicht zuletzt durch diese Faktoren mit ausgelöst. 

2. Printwerbung löst den Boom aus

Und während des Wirtschaftswunders in der westlichen Welt gehörten die Printmedien darüber hinaus zu einer Sonderkonjunktur mit extrem günstigen Voraussetzungen. Denn die jährlichen Gewinne der Zeitungen lagen in diesem Zeitraum zwischen zwölf und 30 Prozent, gigantische Zahlen, die sich in erster Linie den Investitionen von Handelsunternehmen, Markenartiklern und Autokonzernen in Printwerbung verdanken. Mit diesem Anzeigengeschäft bestritten die US-Zeitungen (in Europa liegt der Wert leicht darunter) 80 Prozent ihrer Umsätze, mit dem Verkauf der Auflage die restlichen 20 Prozent. Die damals „neuen Medien“, also kommerzielles Radio und TV, existierten noch nicht, so dass Printkampagnen der Königsweg bei der Ansprache des Massenkonsumenten waren.  

3. Auch die Zeitungen grenzten Realität aus

Es ist jedoch falsch anzunehmen, die Printmedien in der goldenen Ära hätten ganz nebenbei auch noch hundertprozentig demokratiestiftend gewirkt. Wie Heidi Tworek und John Maxwell Hamilton zeigen, haben sich in den USA Afroamerikaner in der Print-Blütezeit lange nicht vom papierenen Massenmedium wahrgenommen gefühlt. Die Goldene Ära entfaltete ihren Glanz also vor allem vor den Augen des männlichen, weißen Mannes und der 80-Prozent-Mehrheitswohlstandsgesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 

4. Konkurrenz und Druck durch Shareholder

Im Verlauf der 1980er Jahre wurden Zeitungen speziell in den USA dann immer häufiger in Aktiengesellschaften umgewandelt. Den Shareholder waren die enormen Renditen der Zeitungshäuser nicht verborgen geblieben und sie verlangten immer mehr Wachstum. Zugleich avancierten kommerzielles Radio und TV zu starken Konkurrenten auf dem Werbemarkt.

5. Internet verändert Lesegewohnheiten und definiert Bedürfnisse um

Durch den Siegeszug des Internets Ende der 1990er Jahre geschah – auf den ersten Blick – etwas relativ Unscheinbares: Spezielle Inhalte wurden durch die Digitalisierung individuell, das heißt in unterschiedlichen Medien und Formaten zugänglich („unbundling“). Die Tageszeitung (vor allem die Lokalzeitungen) hatten bis dahin eine weit verstreute Leserschaft mit vielen unterschiedlichen Bedürfnissen hinter ihrem Massenmedium versammelt: Politik, Sport, Reportagen, Wirtschaft, Unterhaltung, Kreuzworträtsel... . Seit Ende der 1990er Jahre bediente das Internet die Nutzer ab sofort in hohem Maße individuell – und (zumindest in den frühen 00er Jahren) häufig kostenlos! Das Geschäftsmodell der Printmedien und insbesondere der Tageszeitungen geriet in die Krise. 

6. Nach den Massenmedien ist vor den Massenmedien

Unsere heutige globale Nachrichtenlage entspricht so gesehen eher der vor der goldenen Ära der Nachkriegszeit und ähnelt einer Situation, wie sie häufig für das 19. Jahrhundert beschrieben wird: Glanzstücke der Recherche und der Meinungsbildung treten in Konkurrenz zu Blogs, Twitter, subjektiver Augenzeugenschaft, Regenbogen-Journalismus, Populismus, Gerüchteküchen, Verleumdungen - und Fake News.   

Fazit: Spätestens an diesem Punkt werden historische Parallelen jedoch auch fragwürdig. Es kann sein, dass die Nachrichtenlage nach und vor dem goldenen Zeitalter zwischen 1940 und 1980 viele strukturelle Ähnlichkeiten aufweist. Wichtiger ist jedoch, dass durch die SocialMedia Fake-News mit historisch einmaliger Wirksamkeit begonnen haben, das faktenbasierte und informationsorientierte Wahrheitsmodell unserer Öffentlichkeit zu zerstören. Um das zu verhindern, braucht unsere demokratische Öffentlichkeit ein neues Geschäftsmodell. Vor allem müssen wir verstehen, wie wir die Mediennutzer für Wahrheit und Wirklichkeit im 21. Jahrhundert begeistern können. Das Modell der Massenmedien liefert hierfür keine schlüssige Antwort mehr.