Um in die Stadt der Zukunft zu gelangen, müssen wir aus unseren Autos aussteigen. Wir müssen aussteigen und am besten steigen wir aus der gesamten Automobilität aus, die eine Technologie des 20. Jahrhunderts ist.
Denn wir leben im 21. Jahrhundert und brauchen Mobilitätslösungen, die für die kommenden 50 Jahre zeitgemäße Lösungen bieten. Dafür müssen wir – so schnell wie möglich – das Automobil aus unseren Köpfen und aus den Innenstädten verbannen.
Massenmobilität hat die Verbindung zwischen den Menschen gekappt
Die metastatische Ausbreitung der Vorstädte seit den 1950er Jahren hat zusätzlich dazu geführt, dass Menschen, Lebens- und Kommunikationsräume entkoppelt wurden. Massenkonsum und Massenmobilität haben sprichwörtlich die Verbindungen zwischen den Menschen gekappt. Geblieben ist in vielen urbanen Räumen eine entmischte, verbindungs- und beziehungslose Steinwüste.
Im bolivianischen La Paz bauten die Stadtverantwortlichen im Jahr 2014 einfach Seilbahnen in 400 Meter Höhe über das Verkehrschaos in den Straßen. Die erste Linie, die an den Start ging, verband den Armenstadtteil El Alto mit dem Zentrum, was es ermöglichte, dass die weniger gut Gestellten eine flexible und preisgünstige Mobilitätsoptionen erhielten. Ein funktionierender ÖPNV ist, das ist eine weltweite Binsenwahrheit, zumal für Geringverdiener eine entscheidend wichtige Dienstleistung, die soziale und kulturelle Integration unterstützt.
„Peak Car“ ist nah
50 bis 60 Prozent des urbanen Raums, so haben es amerikanische Stadtforscher berechnet, sind in den US-Städten für Autos reserviert. Hält man sich Mietpreise und Wohnungsknappheit nicht nur in den amerikanischen Metropolen vor Augen, ist es logisch, wo angesetzt werden muss. Autos dürfen zukünftig deutlich weniger Raum verschlingen, Metropolen könnten dadurch signifikant mehr Wohnraum schaffen. Speziell aus diesem Grund gilt das autonome Fahren als Zukunftslösung.
Autogesellschaft prägt Städte und Lebensstile: Die Entmischung der Städte, wie sie seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Grunde weltweit stattgefunden hat, fand aus der Perspektive einer autozentrierten Gesellschaft statt. Das äußerte sich nicht zuletzt darin, dass die Städte in Zonen des Lebens, des Konsums und des Arbeitens zerschnitten wurden. Um im Tagesverlauf von einer Zone in die nächste zu gelangen, war es unausweichlich, ein Auto anzuschaffen. Eine Begleiterscheinung des automobilen Lebensstils in der Massenwohlstandsgesellschaft des 20. Jahrhunderts: Fettleibigkeit. Im Lauf des 20. Jahrhunderts haben wir schlicht verlernt, zu Fuß zu gehen. Eine stille und offenbar nebensächliche Lebenskulturrevolution, deren Ausmaße und Konsequenzen wir uns lange Zeit überhaupt nicht bewusst gemacht haben.
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Gegenmaßnahme: Städtischen Raum vom Autoverkehr zurückgewinnen: In Deutschland stehen die Autos 95 Prozent der Zeit unbenutzt in der Gegen herum. Stadtplaner haben für die
USA ausgerechnet, dass dort für jedes der 110 Millionen Fahrzeuge durchschnittlich vier Parkplätze zur Verfügung stehen. Wer in urbanen Räumen in den Vereinigten Staaten Parkplätze zur
Verfügung stellen möchte, zahlt dafür pro Stück zwischen 30.000 bis 50.000 US-Dollar. 50 bis 60 Prozent des städtischen Raums ist für den Autoverkehr reserviert. Eine gigantische
Fehlinvestition, ökonomisch und ökologisch. Mehr Lebensraum für Bürger in einer autobefreiten Stadt würde Mietpreise senken,
Stadtökologie regenerieren und Wertschöpfung steigern.
- Autonomes Fahren als ein Lösungsansatz: Autonome Fahrzeuge (insbesondere in Form von Minibussen, die an den ÖPNV angebunden sind) sind in den meisten der Zukunftskonzepte für die Mobilität in Städten der entscheidende Hebel. Eine Metropole wie San Francisco verfügt über 440.000 Parkplätze und möchten ihren Bürger jetzt aber den städtischen Raum wieder zurückgeben. Für die im Verkehr erstickende Innenstadt von London gibt es faszinierende Pläne, anhand von selbstfahrenden Autos und Bussen der Autofahrergesellschaft städtischen Raum abzunehmen und beispielsweise für neuen Wohnraum zu verwenden. Die Autoren gehen davon aus, dass sich über die Durchsetzung des autonomen Fahrens (vor allem als Erweiterung des ÖPNV) sage und schreibe 50 bis 70 Prozent (rund 5.000 Hektar) des innerstädtischen Raums den Bürgerinnen und Bürgern zurückgegeben werden können. Ließe sich der frei werdende Raum bebauen, entstünden Immobilienwerte im zweistelligen Milliarden-Dollar-Bereich.
- Kühlung schlägt Lage: Singapur wird in vielen Zonen zu Recht als Gartenstadt bezeichnet. Das Oasia Hotel ist 190 Meter hoch und gleichzeitig ein vertikaler Garten, der aus nicht weniger als 54 Baumarten und Weingewächsen besteht. Diese Pflanzen sorgen auch für die Kühlung des Hotels. Schon jetzt gibt es Projekte, die Fernwärme- und Kühlung kombinieren, so zum Beispiel das Katri-Vala-Netzwerk in Finnland, sowie Systeme in Stadtteilen von Paris, Doha, Quatar, Barcelona und Lissabon. Der Vorteil: Stadtteile, die an solche Fernversorgungsnetze angeschlossen sind, brauchen weder Klimaanlagen noch Heizungen. In Chemnitz gibt es beispielsweise einen zentralen Kältespeicher, der Einrichtungen der Stadt zentral mit wohltuender Kühlung versorgt.
Fazit: Was für die USA gilt, gilt grundsätzlich auch für uns: Autofahren ist nach wie vor zu günstig, Wohnen in den Zentren zu teuer. Konkretisieren wir das Nachdenken über die post-automobile Stadt, wie San Francisco oder auch London es uns vormachen.