Dass wir nach wie vor mit Vergnügen in die Flimmerkiste glotzen, lässt sich an einer Vielzahl von Untersuchungen überprüfen. Die Mediennutzung hat in den vergangenen Jahren - bedingt natürlich vor allem auch durch Smartphone und Tablet – noch einmal deutlich zugenommen. Seitdem findet die TV-Nutzung immer häufiger dort statt, wo es Internetempfang gibt: überall und jederzeit und gerne auch mit zwei Geräten auf einmal (second screen).
Steve Jobs‘ Ringen mit dem TV-Code bis in seine letzten Tage hinein hätte er sich ersparen können. Der dezentrale Genius des Internets hat das Problem selbst einer Lösung zugeführt: das Fernsehen der Zukunft löst die Grenzen zwischen analogem Gucken im Wohnzimmer und der digitalen IP-TV-Welt auf.
Drei Transformationspfade tun sich dabei gerade auf:
(1) Das, was wir alle tun
Netflix und Amazon Prime haben als digitale Anbieter von hochwertiger Serien- und Spielfilmware in kürzester Zeit den europäischen Fernsehmarkt auf den Kopf gestellt. Digitales Fernsehen à la Netflix ist radikal personalisiert, weil es gestattet, in die Filme einzusteigen, wann immer man möchte und wo immer man sich gerade befindet. Netflix hat XY mit dem Streamen von Filminhalten begonnen und ist damit zu Beginn ein hohes Risiko eingegangen, Tausende Abonnenten sprangen zwischenzeitlich ab. Netflix und Amazon verbindet eine gemeinsame Geschichte, in den 2000er-Jahren bot Netflix seinen DVD-Service zeitweilig über Amazon an. Reed Hastings, CEO von Netflix, hat sich umgekehrt die Analysekompetenz der Amazon-Algorithmen abgeschaut und landet auch mit selbstproduzierten Stoffen einen Volltreffer nach dem anderen. Video-Streaming hat damit im Handumdrehen auch die Sehgewohnheiten der europäischen Zuschauer revolutioniert und ganz nebenbei außerdem die nationalen Filmindustrien neu aufgestellt.
(2) Sport Streaming
Sportrechte sind enorm teuer. Insbesondere die Spiele der englischen Premier League erzielen von Saison zu Saison neue Milliardenrekorde. Doch die Zuschauer bleiben beim klassischen Pay-TV immer häufiger weg. In Großbritannien streamen mittlerweile mehr Menschen ihre sportlichen On-demand-Inhalte und sparen dabei Geld. In Deutschland ist das nicht anders, und auch in den USA fliehen die Sportfans in Scharen aus dem klassischen Kabel-TV. Während im Kabel immer weniger die American-Football-Highlights verfolgen, steigen die Zahlen im Streaming signifikant, obwohl Sport-Streaming in den USA erst am Anfang steht.
DAZN, das Sport-Streaming-Portal, das seit 2016/2017 in Deutschland, Österreich, Schweiz, Japan, Italien, USA, Kanada und Großbritannien am Start ist, streamt eine Vielzahl an Sportarten, auch Fliegenfischen, und hat mit hohem finanziellem Aufwand auch die größten Fußballligen (außer der Bundesliga) exklusiv im Portfolio. Auf der Plattform werden pro Jahr rund 8.000 Live-Ereignisse live übertragen. Technologisch eine große Herausforderung, die die Macher nach Anlaufschwierigkeiten mittlerweile gut im Griff haben. DAZN ist im Besitz des russischen Milliardärs Blavatnik, der auch Anteile an Spotify und Warner hält.
Er verschafft den finanziellen Spielraum, den es braucht, um nach dem Muster von Netflix und Amazon Prime Sportberichterstattung zu einem digitalen Premiumerlebnis zu machen. Einstweilen ist da die Euphorie des Anfangs, erstaunlich gute Qualität in der Berichterstattung und gigantischem Umsatzzuwachs (von 8,7 Millionen Britische Pfund im Startjahr 2016 auf 90,8 Millionen Britische Pfund im darauffolgenden Jahr. Trotzdem schreibt DAZN erst einmal auch heftige Verluste, die zwischen 2016 auf 2017 von 50,8 Millionen Britischen Pfund auf 214 Millionen Britische Pfund anwuchsen.
(3) YouTube ist das Fernsehen der Jungen und die Instanz für Live-TV
In den USA läuft YouTube-TV bereits im Abonnement für 35 US-Dollar pro Monat. Auch hier bildet das Livestreaming von Sportereignissen ein zentral wichtiges Geschäftsfeld. 96 Prozent der Werbeeinnahmen (die ausschließliche Einnahmequelle von YouTube, gehen in die Sportübertragungen, die oft jedoch nicht exklusiv auf YouTube laufen (sind also sogenannte „Simulcasts“, gleichzeitig auf mehreren Kanälen). Das Abonnement kann jederzeit beendet werden.
Im Basispaket für Kunden aus Las Vegas zum Beispiel sind 55 Fernsehkanäle enthalten. Dazu gehören unter anderem Programme von Fox, NBC und CBS, aber auch internationale TV-Stationen wie die BBC. Experten gehen davon aus, dass die 35 US-Dollar keineswegs gewinnbringend sind und Alphabet, die Konzernmutter, dabei mindestens fünf US-Dollar drauflegt. Wann und ob YouTube TV nach Deutschland kommt, ist offen. Täglich nutzen rund eine Milliarde Menschen YouTube und schauen dabei eine Milliarde Stunden an Videos an. YouTube ist mittlerweile auch in Deutschland eine Instanz: Wer Live-TV (nicht nur im Sport) sucht geht zu YouTube. Und viele Interessenverbände und Events strahlen ihre Inhalte selbstverständlich via YouTube aus.
Und was heißt das?
Längst hat der Online-Werbemarkt das klassische TV überholt (obwohl die TV-Umsätze ebenfalls robust zulegen). Die Ära des digitalen Fernsehens ist erfreulicherweise gekennzeichnet durch einen Qualitätsaufschwung bei Serien und Comedys, die unbestreitbar auf dem amerikanischen Markt seinen Ausgang nahm. Ebenfalls einen Qualitätsaufschwung erlebt der Live-Sport, der sich in Deutschland seit 2017 konsequent von den alten (analogen) Gatekeepern (Sky, ARD/ZDF) weg ins On-demand-TV verlagert.